Nein, es ist kein Minderheitenproblem, keines der Schichten oder gar der
Bildung – auch in Akademikerhaushalten wird geschlagen oder eine andere Form
der Gewalt angewendet. Eine gute berufliche Stellung, um nicht zu sagen –
Karriere – kann Frauen schaden, nämlich dann, wenn der Partner auf der
Karriereleiter etwas weiter unten steht, weniger verdient oder gar arbeitslos
ist. Ist das eigene Selbstverständnis in Gefahr, das jahrhundertelang auf eine
scheinbar angeborene Überlegenheit baute, haben viele Männer es sehr schwer,
sich nun neu zu verorten. Die Selbstdefinition über ein latentes Besser,
Stärker und Reicher funktioniert immer schlechter, ist aber noch tief
verinnerlicht und die in den meisten Fällen wirklich angeborene körperliche
Überlegenheit wird genutzt, um wenigstens hier das gewohnte Ungleichgewicht wieder
herzustellen.
Die nackten Zahlen stellen der EU ein Armutszeugnis aus. Gewalt gegen
Frauen lässt sich nun nicht mehr pauschal fernen und archaisch geprägten
Kulturen zuordnen, sondern bildet auch in Europa keine Ausnahme. In dem Europa,
das gerne (und häufig zu recht) bereit ist, eben diese Kulturen über
Menschenrechte aufzuklären.
Auffallend ist das große Nord- Südgefälle. So geben nahezu 50 Prozent der
Frauen in den skandinavischen Ländern an, Opfer von körperlicher, sexueller
und/oder psychischer Gewalt gewesen zu sein. In Spanien und den südlichen
Ländern geben das nur knapp ein Viertel der befragten Frauen an. Sind dänische
oder schwedische Männer brutaler? Wohl kaum. In diesen Ergebnissen bilden sich
eher kulturelle Unterschiede ab. Während im Süden solche "Familienangelegenheiten"
kaum nach außen, wie z.B. zur Polizei oder gar in ein Frauenhaus getragen werden,
haben die Nordeuropäerinnen größtenteils schon mehr Selbst-Bewusstsein
entwickelt, um überhaupt definieren zu können, wann ihre Grundrechte auf
körperliche und seelische Unversehrtheit massiv verletzt werden – und sei es
durch den eigenen Ehemann oder Partner. Abgesehen vom Mut, diese Erfahrungen
z.B. in einer solchen Befragung "öffentlich" zu machen, gilt es für
die Betroffenen selbst, erst einmal die Verletzung als solche zu erkennen und dann
anzuerkennen und nicht als "gegeben" oder "wegen der
Kinder" hinzunehmen. Dort, wo Misshandlungen zum "Alltag"
gehören oder gar zum ehelichen "Verständnis", wie z.B. in Pakistan
befragte Frauen angaben, ist das Kärrnerarbeit.
Eine EU-weite Kampagne könnte
nun als Konsequenz dieser traurigen Studienergebnisse dafür sorgen, dass Gewalt
gegen Frauen (und damit auch gegen Kinder) als Menschenrechtsverletzung
wahrgenommen und eingestuft wird und nicht als Kavaliersdelikt. Als sehr teure
Menschenrechtsverletzung, die von der bulgarischen EU-Abgeordneten Antoyia
Paranova auf 228 Milliarden Euro jährlich geschätzt wird.
Ein geringer Teil dieser Summe würde wahrscheinlich genügen, um im Zuge
der gesundheitlichen Aufklärung, der Aufklärung überhaupt, auf breiter Ebene
mit Unterstützung der Medien ein Bewusstsein schon bei Mädchen und jungen
Frauen dafür zu schaffen, dass sie keine "Ware" als "Next Top
Model" sind und nicht nur als Pin-up für Unterwäsche an der Bushaltestelle
einen Wert haben – dass in der Folge sexuelle Gewalt nicht zu tolerieren ist und
keine noch so "Große Liebe" Schläge rechtfertigt.
Antoyia
Paranova: "Fast die Hälfte aller Frauen in Europa wird einmal Opfer von
Gewalt"
Fast die Hälfte aller Frauen in Europa ist einmal in ihrem Leben mit
Gewalt konfrontiert. Besorgniserregende Zahlen zeigen, wie viele Frauen und
Familien durch Gewalt zerstört werden. Neben den emotionalen Schäden sind auch
die wirtschaftlichen Konsequenzen in Europa gravierend.
EU-Studie:
Jede dritte Frau in Europa ist Opfer von Gewalt
Es sind erschreckende Einblicke in die Lebenswirklichkeit von Frauen in
Europa. Jede dritte Befragte einer EU-weiten Umfrage wurde schon einmal Opfer
von körperlicher oder sexueller Gewalt, jede 20. Frau berichtete von Vergewaltigung.
Gewalt
gegen Frauen wird zum europäischen Problem
Eine aktuelle Studie offenbart: Sexuelle und psychische Gewalt in der
Partnerschaft sind in Europa viel weiter verbreitet als bisher angenommen.
Dabei dürfte die Dunkelziffer noch viel höher liegen.
Studienleiterin:
«Gewalt gegen Frauen ist kein Minderheitenproblem»
Schläge und Demütigungen sind für viele Frauen in der Europäischen Union
an der Tagesordnung. Betroffene wagen es laut der Autorin einer neuen Studie
aber oft nicht, sich jemandem anzuvertrauen.
"Häusliche
Gewalt wird kaum angezeigt"
Dass Gewalt gegen Frauen in Europa weit verbreitet ist, hat gerade eine
neue Studie gezeigt. Vor allem Ehemänner und Partner müssen dennoch kaum
Konsequenzen fürchten.
DOSB
startet Aktion: Gewalt gegen Frauen - nicht mit uns!
35 Prozent der deutschen Frauen sind bereits Opfer von Gewalt geworden
Sehr interessanter Radiobeitrag:
Frauen aus der Babyboomer-Generation
Die Babyboomer-Frauen - heute um die Fünfzig - waren nach dem Krieg die
bis dahin am besten ausgebildete Frauengeneration Deutschlands. Sie starteten
mit dem Gefühl ins Berufsleben, sie hätten nun die gleichen Chancen wie Männer.
Inzwischen fällt die Bilanz für viele eher ernüchternd aus. Besonders, wenn sie
Kinder haben und erst recht, wenn sie alleinerziehend sind.
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