Montag, 21. Mai 2012

Das waren die 18. bis 20.Kalenderwochen: Frauenmedizin - Männermedizin?

Warum wird Jungen mehr Ritalin verabreicht als Mädchen? Warum wird ein Herzinfarkt bei Frauen als Magenverstimmung oder als psychosomatische Störung diagnostiziert und damit lebensgefährlich bagatellisiert? Warum können Herzmedikamente oder Antidepressiva - in Studien als (nahezu) unbedenklich erwiesen - im weiblichen Organismus katastrophale Wirkung entfalten?
Frauen und Männer sind verschieden! So banal wie kompliziert.  So banal, weil äußerlich zwar sichtbar und dank bestimmter Vorlieben und Verhaltensunterschiede erlebbar. So kompliziert, weil sich ein männlicher und weiblicher Körper bis in die Zellstruktur unterscheiden.  Eine weibliche Leberzelle verfügt z.B. über andere Enzyme als eine männliche. Die männliche Leber ist deutlich im Vorteil, wenn es um die Verarbeitung des ein oder anderen Weinchens, Bierchens oder Schnäpschens geht, dafür können Frauen auf ein robusteres Immunsystem zurückgreifen, da ihr Körper u.a. mehr Eiweiße produziert. Auch die Wahrnehmung und  Einstufung der aufgenommenen Information kann  im Gehirn des jeweiligen Geschlechts zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Unter dem Einfluss von Testosteron verengt sich der Blickwinkel und manche Risiken - zuweilen tödliche - werden nicht gesehen oder deutlich unterschätzt.  Übrigens auch von Frauen, die in einem Versuch künstlich mit dem männerformenden Hormon  ausgestattet wurden. 
Männer reden gar nicht oder ganz anders über (gesundheitliche) Probleme als Frauen, manche seelische Erkrankung bei Männern wird so gar nicht erst erkannt. Depressionen äußern sich geschlechtsspezifisch mal als Aggression, mal als totaler Rückzug. In jedem Fall aber liegt die Selbstmordrate bei Männern höher als bei Frauen. Eine Kommunikation, die sich weniger auf die vermeintliche "Schwäche" fokussiert, sondern auf die Lösung könnte hier zielführender sein, während Frauen aufmerksames Zuhören schätzen.
Trotz großer Errungenschaften greift die mechanistische Auffassung vom Körper als mehr oder minder gut funktionierendem Apparat, wobei das Herz als Motor gilt, zu kurz.  Eine erweiterte Sicht auf die Belange eines weiblichen Organismus dürfte sich in der Folge nicht mehr nur auf das anerkannte Fachgebiet der Gynäkologie beschränken, sondern auf alle Gebiete der inneren Medizin. Nähme man es wirklich ernst, müssten bereits erforschte Medikamente erneut Studien unterworfen werden, dieses Mal mit Probandinnen, um Wirkung, Nebenwirkung und richtige Dosierung festzustellen.  Das wiederum wäre eine Herausforderung an das Studiendesign, denn die Fähigkeit des weiblichen Körpers, neue menschliche Organismen, sprich: Kinder hervorzubringen macht die Sache eben nicht leichter. 
Neue, passende Wirkstoffe könnten entwickelt werden. Eine interessante Herausforderung für die forschende Pharmaunternehmen, die nach Auslaufen der Patentrechte schwierigen Zeiten entgegensehen. Ein diffiziles Unterfangen für die Gesundheitspolitik, die dafür sorgen muss, dass sich die millionenschwere Investition qua Erstattung auch rentiert.
Im Bereich der Bildung eröffnen sich gleichfalls Möglichkeiten.  Jungen, die sich im herkömmlichen Schulunterricht in ihrem Bewegungsdrang nur schwer zügeln lassen müssten nicht notwendig als pathologisch gelten und mit dem ohnehin umstritten Ritalin "versorgt" werden.  Mädchen, die sich erst mit der Geschlechtsreife vom Neutrum "Es" ins definierte "Sie" verwandeln,  müssen sich gegenwärtig noch rasch daran gewöhnen, dass fast alles, was mit ihrem Frausein zu tun hat, der ärztlichen Beobachtung bedarf und damit wie selbstverständlich einen pathogenen Anstrich hat. 
Manche Befunde werden bei Frauen (immer noch) nicht für möglich gehalten, wie der schon genannte Herzinfarkt. Depressionen oder gar Brustkrebs bei Männern festzustellen und zu kommunizieren - auch öffentlich - erfordert gleichfalls den Blick über den Tellerrand.
Das klingt alles nach viel Arbeit, nach viel Umstand, vielleicht auch Geld, dass es zu investieren gilt. Aber deswegen darauf verzichten? Auch hier gehörten bei einer ernsthaften Diskussion alle Zahlen auf den Tisch. Die Forschung z.B. in der Raumfahrt ist auch nicht umsonst zu haben. Und wer kommt eigentlich für die Beseitigung der Berge an Elektromüll auf, wenn statt einer weißen nun eine rote Waschmaschine in ist oder der noch funktionstüchtige Toaster dem neuesten mit Swarovskisteinen besetzten Modell weichen muss? Und wer zahlt die Folgekosten falscher Behandlung und Medikamentierung?
Usw. usw......

Links:

Focus Nr. 20/21 14. Mai 2012 S. 88

Neuigkeiten zum Workshop Sie tickt anders. Er auch. Geschlechterspezifik in Medizin, Pflege... unter


Zum Thema Gesundheit von Männern:
http://www.gesundheit-nds.de/CMS/index.php

Arbeitsgruppe Cognition & Gender:

http://campus.uni-muenster.de/agcoggen.html

Hier wird Orthopädie mal weiblich buchstabiert

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