Sonntag, 6. März 2011

Das war die 9. Kalenderwoche: arabische "feministische Revolution" – Wissenschaft in Deutschland – Quote qua Brüssel?

100 Jahre internationaler Frauentag! Die Franzosen haben die Theorien der Aufklärung sozusagen in die Praxis umgesetzt und vorgeführt, wie menschlich das von König und Adel beanspruchte Gottesgnadentum ist. Egalité, Fraternité und Liberté galten aber anfänglich wohl eher für die Hommes, denn konkrete politische Teilhabe war für die Femmes nicht vorgesehen. Am 19. März 1911 fand schließlich der erste internationale Frauentag in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Das allgemeine Wahlrecht für Frauen wurde eingefordert.
2011: Revolution in den arabischen Ländern. Vermeintlich allmächtige Regierungschefs werden gezwungen, das Land zu verlassen. Und die Frauen sind dabei. Frauen sind nicht nur Hilfskrankenschwestern im Verborgenen sondern auch Anführerinnen und Organisatorinnen auf der Straße, dem Tahrir-Platz oder im Internet. Demokratie, echte Demokratie kann nur gelingen, wenn Frauen und Männer gleichermaßen daran beteiligt werden, erläutert die ägyptische Genderforscherin Sarah Faraq ihre Beobachtungen während der Demonstrationen. Besonders bemerkenswert erschien ihr, dass Frauen ein ungewohnter Respekt entgegengebracht wird - sie bei den Versammlungen keinen oder wenigstens deutlich weniger Belästigungen ausgesetzt sind, als im vorrevolutionären Alltag. Drücken wir die Daumen, dass dem Land der Schwung der Neuerung dazu verhilft, überkommene religiös motivierte Vorschriften aus den Gesetzesbüchern streichen zu können. Hoffen wir, dass bestehendes Gesetz konsequent angewendet wird: dass schulpflichtige Mädchen ihrer Pflicht nachkommen dürfen und nicht durch frühe Heirat sowie mit Hilfe von Bestechung der kontrollierenden Beamten von Bildung ausgeschlossen werden.
Aber nicht nur Ägyptens Frauen fordern ihren Anteil an Mitsprache in Politik und Gesellschaft. Der Aufstand gegen Diktatoren wie Gaddafi hat gleich eine zweite, implizite Revolution losgetreten. Mit dem Ruf "Democracy now" kämpfen Frauen wie die Anwältin Salwa Bugaighis aktiv am Aufbruch in der arabischen Welt mit. Neben Bugaighi gehören noch zwei weitere Frauen dem Revolutionsrat an. Eine „feministische Revolution des Nahen Ostens“? Im Westen reibt man und auch frau sich die Augen. Vielleicht gilt es, das ein oder andere Klischee zu überdenken und sich neu einzunorden – pardon: einzuosten. Hierfür sei folgende Analyse sehr empfohlen: http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/639613/Der-unvermeidliche-Frauenaufstand?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/635829/index.do&direct=635829
Wenn also eine "kritische Masse" an Frauen das Wahlrecht erlangt, gebildet und berufstätig ist, lässt sich das irgendwann am Lebensstandard und an der Stabiltiät einer Gesellschaft ablesen, aber auch an ihrer demografischen Entwicklung. Das ruft Traditionalisten und Gegner einer Frauenquote auf den Plan. Aber ohne geht’s auch nicht mehr, wie die Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V (vbw) „Arbeitslandschaft 2030“ zeigt. Allein Bayern wird es im Jahr 2015 an einer halben Millionen Fachkräfte mangeln und bundesweit sind 600.000 mehr Frauen in Arbeit nötig als heute. Das wird noch mehr Unternehmen veranlassen, ihre Strukturen zu verändern. Diejenigen, die es schon geschafft haben, fahren gut dabei. Nicht etwa weil Frauen besser seien als Männer, betont Dr. Angelika Niebler, Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau im Europäischen Parlament, sondern weil sie durch eine unterschiedliche Sicht auf die Dinge den gesamten Entscheidungs-Horizont erweiterten. Und das lässt sich sogar bilanzieren. http://www.b4bschwaben.de/Mittelstand/Regionale-Wirtschaftsnachrichten/Augsburg/arid,60525_puid,1_pageid,13.html
Diese Entwicklung gäbe dem griechischen Vorsokratiker Heraklit Recht, der die Welt in ständiger Bewegung sah. "Alles fließt", so sein Beitrag zur Zitatensammlung. Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der TU - Berlin, erkennt in der Forderung nach einer Frauenquote dagegen radikalen Feminismus, will wieder zum "gesunden Menschenverstand" zurückkehren und falsche Denkansätze aufzeigen. "Die eigentlichen Opfer der Frauenquote sind die Frauen", so das Fazit des Philosophen; denn ein Unterschied zwischen Männern und Frauen sei nun einmal, wenn Kinder da sind. Dann seien 80 Stunden-Wochen als Führungskraft gar nicht machbar. Eine der schwierigsten philosophischen Übungen besteht darin, den Prozess des eigenen Denkens zu reflektieren. Das spielt einem so manchen Streich. Norbert Bolz scheint im Unterschied zu Heraklit von der Prämisse auszugehen, dass es sich bei Gesellschaftsstrukturen um unveränderliche Naturgesetze handelt. In- und außerhalb Europas zeigt sich aber, dass eine gerechtere Teilhabe von Frauen zwangsläufig gesellschaftliche Verhältnisse und Werte verändert. Eine zunehmende Anzahl junger Väter wollen z.B. an der Kindererziehung beteiligt sein und würden daher individuelle Teilzeitregelungen begrüßen. Das war nicht immer so. Und dass bei der Berufung von ProfessorEN ausschließlich die Qualifikation zählt – bei rund 50% Uni-AbsolventINnen – nun ja: hier sei ein Zwischenhelau erlaubt ....
Der erfolgreiche Wissenschaftler und sympathischer Gast in Talkrunden, scheint eher den Status quo Universitäten erhalten zu wollen – so lässt seine Argumentation jedenfalls vermuten. Die Einwerbung von Forschungsmitteln erfordert profunde Kenntnis in Revierkämpfen, die rigiden Vorgaben durch Bologna verlangen mehr Bürokratie und Kräfte, die nicht mehr für Weiterbildung und wissenschaftliches Arbeiten zur Verfügung stehen. Inoffiziell geforderte Auslandsaufenthalte und nicht zuletzt die Unsicherheit, zu Beginn einer wissenschaftlichen Karriere, stellen Akademikerinnen vor die Wahl: entweder ein Leben, zu dem auch Familie gehört oder eine wissenschaftliche Karriere. Wer würde eine solche Entscheidung von einem angehenden AkademikER erwarten? Einblick in die Realität der Uni-Frauen gibt Christiane Bender, selbst Professorin an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg: DIE ZEIT, 24.2.2011 Nr. 09 http://www.zeit.de/2011/09/C-Uni-Frauen
Aber: "alles fließt" wie der Bericht des Verbandes der chemischen Industrie zeigt. "Der Nachwuchs in der Chemie ist weiblich", so das erfreuliche Resultat. Die jungen Frauen folgen in die Fußstapfen einer Madame Curie, forschen und wollen Innovationen voranbringen. Allein zwischen 2000 und 2009 sind immerhin 123 Professorentitel an Frauen gegangen.
Damit sich der Anteil an Frauen in den Führungsetagen und auch in anderen Bereichen europäischer Unternehmen erhöht, hat Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommission, Konzernführer zum Gespräch geladen. Fazit: ein drastisch höherer Anteil an Frauen wird sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen, aber um Europa im globalen Wettbewerb zu halten, müssen deutsche, italienische, spanische, französische,... Konzernchefs richtig aktiv werden. Ist die Gnadenfrist verstrichen, setzt es die Quote und zwar durch Brüssel unter Beteiligung demokratisch gewählter Frauen.

Weitere Links:

Immerhin hat der Europäische Gerichtshof Fakten geschaffen
Versicherungs-Urteil des EuGH Männer, Frauen, Menschen

Und auch hier wittert mann Ungerechtigkeit und wirtschaftlichen Unverstand; denn nun müssten Frauen ja einen höheren Betrag zur Autoversicherung leisten. Gerne! Wenn wir dadurch nicht mehr durch höhere Beiträge einer zwingend notwendigen Kranken- und Rentenversicherung für Geburt und eine im Schnitt gesündere Lebensweise abgestraft werden.

Dass es zur wirklichen Gleichstellung noch ein weiter Weg ist zeigt sich schon in der beschämend ungleichen Entlohnung von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit und die insgesamt immer noch spärliche Beteiligung von Vätern an den Familienaufgaben

Für die linken Frauen ist die Gleichstellung noch lange nicht abgeschlossen. Sie fordern daher gleichen Lohn für gleiche Arbeit – das käme auch manchem Mann zugute....

Gewerkschaft baut Führung um

Die Frauenbeauftragte Ingrid Roll erkennt in der aktuellen Quotendebatte, "alte Themen neu verpackt". Kinderbetreuung, Lohngleichheit, Teilzeitarbeit, Altersarmut stehen schon lange auf der Agenda.
Frauenpräsenz ist wichtig

Genau diese Zustände wurden und werden durch die soziale Rolle gepaart mit Steuergesetzen zementiert.
Die Aufholjagd dauert sehr lange

Onkel Tom war eine Frau
Frauen und Männer sind gleichberechtigt - so haben wir es gelernt. Eine Frauenquote ist mit diesem Prinzip nicht vereinbar. Aber heißt das wirklich, dass wir sie nicht brauchen? Die Geschichte eines persönlichen Sinneswandels.
Von Lena Bopp

„Ich möchte heute wieder als Frau auf die Welt kommen!“ zeugt vom Selbstbewusstsein der Stadträtin Gudrun Hellmuth, die zwar die Mängel kennt, aber keine Quote möchte.
Ihre Thesen zur Diskussion beschreiben den derzeitigen Zustand kurz und knapp.

Emotionaler Meinungsaustausch der auch die Differenzen in den Fraktionen zutage treten ließ.
»Gesetzliche Überregelung«
Warten auf Vorschläge
Noch lange nicht am Ziel

Im Nachbarland Österreich ist es um die Anzahl der Führungsfrauen noch schlechter bestellt, hier scheint sich aber die Diskussion eher an der konkreten Praxis zu orientieren.

"Ich mache auch Politik für Männer"
"Quote ist für mich Qualität", sagt die Frauenministerin. Sie kann sich ab 2014 Sanktionen beim Ignorieren der Frauenquote vorstellen.

Empfehlenswert ist auch die Lektüre des Interviews mit Maria Schaumayer. Aus der ehemaligen Quotengegnerin wurde eine Befürworterin, konnte sie doch als weltweit erste Präsidentin einer Nationalbank männliche Führungspraxis aus nächster Nähe beobachten. Aufklärung, ohne globale Frauenrechte ist für sie unvollständig. http://diestandard.at/1297819477917/Ex-Quotengegnerin-Maria-Schaumayer-Mir-fiel-die-Rolle-der-Eisbrecherin-zu

100 Jahre Frauentag Science ORF gibt eine historische Übersicht vom 1911 erfochtenen Wahlrecht –

Die Vision zum Frauentag: "2011 - das war Mittelalter"

Selbst im Motorrennsport tut sich was: Ecclestone denkt an Frau als Nachfolger

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen