Sonntag, 20. Februar 2011

Das war die 7. Kalenderwoche: WoB-Index – Bundesbank - weibliche Polemik


Mal ehrlich! Würden Sie ein Verhalten ändern, das Ihnen erst einmal (fast) nur Vorteile bringt? Zum Beispiel mit 50 km/h durch eine Spielstraße fahren? Oder schicke, superbillige Klamotten kaufen?
Wahrscheinlich erst dann, wenn entweder Kontrolle und anschließende Sanktionen ein anderes Handeln erfordern oder - ja, sprechen wir 's aus: erzwingen. Oder wenn das eigene moralische Empfinden der Versuchung, die 9 Euro-Marken-Jeans aus Bangladesh doch zu kaufen, Grenzen setzt. Erst später, manchmal sehr viel später, zeigt sich, dass das Prinzip Survival of the strongest nur selten zu stabilen und nachhaltig leistungsfähigen Gesellschaften führt. (Gerade sehr gut in den arabischen Ländern zu beobachten.)
Manchmal sorgt der Wettbewerb für den erforderlichen Druck, einen Strukturwandel herbeizuführen. Manchmal wollen Verbraucher und Verbraucherin keinen Teppich im Wohnzimmer haben, der von Kinderhänden geknüpft wurde. Gelegentlich schaffen Rankings Wettbewerb. Nun gibt es einen "Women-on-Board-Index", der börsennotierte Unternehmen nach dem Frauenanteil in Führungspositionen auswertet. Das erste Ranking aller DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX – Unternehmen fällt erwartungsgemäß traurig aus: 93,5% Männerquote.
Die Hoffnungsträger: Gfk, Douglas und Deutz erhalten jedoch einen Imagezuwachs. Der neu geschaffene WoB-Index gibt vielleicht in Zukunft darüber Auskunft, welche Unternehmen sich an ihre eigenen freiwilligen Selbstvereinbarungen halten und welche eher auf geduldiges Papier setzen. Die Untersuchung, durch die FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte e.V.) initiiert, zeigt bereits, dass schwammige Absichtserklärungen nichts bringen; erst mit der Aufforderung, "konkrete Ziele für einen angemessenen Anteil von Frauen in den Kontrollgremien zu benennen und zu veröffentlichen" wird der Deutsche Corporate Governance Kodex zu einem wirksamen Instrument! http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2011-02/19397301-women-on-board-index-zeigt-handlungsbedarf-bei-frauen-in-fuehrungspositionen-fidar-erhoeht-druck-fuer-frauenquote-016.htm Unter http://www.fidar.de/index.php?id=92  kann die Untersuchung eingesehen werden.
Der Eklat um Axel Weber hat der Bundesbank eine Frau als VizechefIN beschert. Jens Weidmann, Angela Merkels Wirtschaftsberater, wird den ersten Platz einnehmen und Sabine Lautenschläger hat Franz-Christoph Zeitler als Vize abgelöst. Wer weiß, ob das nicht vielleicht der Quotendebatte geschuldet ist?? http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-02/weidmann-bundesbank-weber
Auch der Pharmahersteller Merck erkennt die Zeichen der Zeit und will seine Frauenquote erhöhen und so Wissen und Potentiale heben. Mit derzeit weltweit 22 Prozent, in Deutschland 17 Prozent weiblichen Führungskräften ist ja durchaus noch Luft nach oben. http://www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Markt/13894.html
Also es bewegt sich was in der Republik, auch wenn Gegner jeglicher Quote behaupten, dass ausschließlich Qualität und Leistung eine Rolle bei der Personalentscheidung für oder gegen eine Kandidatin spielen. Mit dem Qualität-statt-Quote-Argument kann sich der PR-Berater Marcus Manz sicher sein, dass alles so bleibt wie es ist; offenbart er doch in seinem darauf folgenden Bekenntnis, dass Frauen erst dann "richtige Frauen" seien, die Kinder bekämen und Zuhause bleiben wollten. Worauf eine Bloggerin in der gleichen Sendung ZDF log in kontert: "Der lebt ja noch im Mittelalter." http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,8212970,00.html?dr=1
Nicht ganz im Mittelalter, aber im späten 19. Jahrhundert scheint Bascha Mika die heutigen Frauen Deutschlands zu verorten. Mit kurzen Sätzen drischt sie auf die Effi Briest in uns ein. Die staccatoartige Polemik blendet große Teile der Realität aus - wie es sich für Polemik eben gehört. Was die Autorin damit bezwecken will, ist nur noch nicht ganz klar; denn als Journalisten sollte sie doch eigentlich um die Anzahl alleinerziehender Mütter wissen, die sich eben nicht in die Abhängigkeit einer bequemen ehelichen Rundumversorgung begeben; die vielleicht nie verheiratet waren oder die vielleicht den vermeintlichen Prinzen als Frosch entlarvt und zurück in den Brunnen geschickt haben. Die aber unter den aktuellen Bedingungen in den meisten Fällen ums Überleben kämpfen. Immerhin sind sie vom moralischen Makel befreit, der die Protagonistin in Theodor Fontanes Roman um Kind und Lebensfreude gebracht hat. Bascha Mika hat offenbar das Bild der omnipotenten Frau vor Augen, die nur zu wählen und entscheiden braucht. Sind aber erst mal Kinder im Spiel ist es nicht mehr weit her mit der freien Wahl. Natürlich hat die ehemalige Chefredakteurin der taz recht, dass das Verharren in der Opferrolle – wenn frau zum 10. Mal an die Glasdecke gestoßen ist - oder in der Bequemlichkeitsfalle keine Alternativen zu einem männlich dominierten Gesellschaftsentwurf sind. Aber das von ihr montierte Luxusweibchen dürfte nicht die Norm sein. In sehr traditionellen Gesellschaften sind es häufig die Frauen die ihre vom rechten Pfad abweichenden Geschlechtsgenossinnen, wieder auf Linie bringen und so einer patriarchalischen Gesellschaftsform dienen.
Bascha Mika verwendet zu Beginn ihres Buches genau jene Rhetorik, die - auch bei heutigen Frauen ihre Wirkung (noch immer) nicht verfehlt: die der eindimensionalen Schuldzuweisung. Viele Frauen lassen sich davon reflexartig in die Defensive treiben. Aber gegen Polemik lässt sich nicht argumentieren. Sie ist kein wirkliches Gesprächsangebot. Vielleicht taugt sie als Anregung, gelegentlich das eigene Handeln genauer unter die Lupe zu nehmen. Die sächsische Zeitung veröffentlicht nun Teile des Buchs unter http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2689106
Immerhin dürfte Bascha Mika mit Italiens Frauen zufrieden sein, die ihrem Ministerpräsidenten deutlich zeigen, was sie von ihm halten. Einer Frauenquote für politische Ämter wie Silvio Berlusconi sie umsetzt, sagen Italienerinnen den Kampf an. http://www.n-tv.de/politik/Berlusconi-im-Delirium-article2603496.html

Weitere Links:
Über veränderte Umgangsformen auf dem politischen Parkett, die der ersten KanzlerIN zu verdanken sind, informiert Eva Quadbeck. Als "Unaufgeregt, sachlich, schnörkellos" kann der Stil Angela Merkels wohl beschrieben werden - auch von politischen Gegnern. Weiblicher Kommunikationsstil sollte jedoch nicht mit Schwäche verwechselt werden: "Im Foyer des Bundestags plaudert der neue Landwirtschaftsminister Horst Seehofer mit den Journalisten. Er sagt: 'Wer Frau Merkel unterschätzt, hat schon verloren.' "

Auch in Österreich drängt das Thema Quote:
„Freiwilligkeit bewirkt nichts“
Das ausführliche Interview mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner http://www.profil.at/articles/1107/560/289427/freiwilligkeit

"Indien liegt bekanntlich nicht in Skandinavien, auch nicht aus frauenpolitischer Perspektive" http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/2676195/jeder-dritte-sitz-fuer-frau.story

Wie es in Tunesien für Frauen weitergehen wird – hoffentlich – ist aus dem Interview mit Raschid Ghannouchi zu erfahren: " Wir haben 1988 die Gleichberechtigung der Frau anerkannt, dabei bleibt es.
Sollte das Recht auf Abtreibung in Tunesien wieder abgeschafft werden?
Dieses Recht ist Teil des Status quo der bürgerlichen Freiheiten und entspricht dem Willen des Volkes. Wir streben nicht an, diesem unsere Sichtweise aufzuzwingen."
http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~E06E5E6FB93294F488D202587B541F234~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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